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Der Ausstellungstitel spricht Bände: der Begriff ,shero‘ kam um die Wende des 19. / 20. Jahrhunderts im Kontext von Emanzipationsbewegungen der Suffragetten auf und kann heute für alle Frauen gelten, die im Taumel digitaler Welten um Kraft und Selbstbestimmung ringen. Der Titel benennt also Wunschbild und Ermunterung der Israelin Zohar Fraiman, die selbst seit langem dem internatioalen Frauen-Netzwerk „Saloon“ in Berlin angehört. Die Gemälde führen ein Frauenbild vor, das heute
durch die digitalen Medien verzerrt, entstellt und überinszeniert ist. Dies ist keineswegs von außen, gar aus männlicher Perspektive betrachtet, sondern als Selbstkritik an der Heroisierung des weiblichen Ichs. Reizvoll ist, dass Fraiman ihre Skepsis nicht etwa anhand derjenigen künstlerischen Mittel vorträgt, vor deren Verführungsmacht sie warnt, also der digitalen Medien, vielmehr in traditionsreicher Ölmalerei. Und da kommt es zu grotesken Überlagerungen unterschiedlicher Kunstgriffe und Inhalte. Bereits im Titel nimmt Fraimans Arbeit „Allegorie of Love“ ein gleichnamiges Gemälde von Tizian auf, spricht mit Allegorie zugleich das Spiel mit dem Mimetischen an. In der Szene entlehnt sie eine weibliche Figur dem italienischen Meister; eine weitere anstelle des männlichen Partners bei Tizian entstammt samt Hintergrund einem Gemälde von Balthus, und für die Katze schließlich hat ein Paula Modersohn-Becker-Bild sozusagen Modell gestanden. Fraiman bedient sich vielfach kunstgeschichtlicher Topoi; aber in der Weise, in der hier das Antlitz durch die gestreifte Tapete entleert wird, imitiert sie Methoden, wie sie speziell im Digitalen möglich sind. Und anderen Werken vergleichbar erweitern Spiegel, Handy oder Tablet das Spielfeld, um das grassierende Selbstbespiegeln mit Selfies oder neuerdings sogar im Zoom aufzuzeigen. Anstelle eines Kommunizierens miteinander halten technische Geräte als Partner her. Jede der stimmungshaltigen Szenarien entwirft ein Panorama, das den Betrachter zwischen Realität und Fiktion taumeln lässt und ihn durch Widersprüche produktiv verunsichert. Zurück in die Rolle einer braven Hausfrau sollte die Entwicklung denn doch nicht gehen, würde man der Küchenszene in „Giving Head“ in der Werbeästhetik der 50er bis 70er Jahre folgen. Mit jovialer Geste zum Mahl am kurios gedeckten Hasen-Tisch einladend ist der männliche Protagonist kopflos dargestellt. Ähnlich treten in anderen Bildern Männer gesichtslos auf oder bekommen eine Bedeckung aus Popkultur oder Monsterfilmen
übergestülpt. So wie die Szenen aus Versatzstücken bestehen, sind auch Räume gebrochen, Durchblicke verstellt oder Spiegel leiten in andere Welten. Daher sucht die elegante Dame in „Me, Myself and I“ titelgemäß nach eigener Identität zwischen klischeehaft
mondänem Leben, Disneyebene und Traumwelt von Alice in Wonderland. Sie scheint zwischen den gängigen Stereotypen vermarktet zu werden. Dazu passt, dass Fraiman humorvoll auch mit der kitschigen Oberfläche spielt, hinter der sich sowohl verlogene Abgründe als auch Wahrheiten verbergen. Wirft der Betrachter einen leicht voyeuristischen Blick auf die Bild-Figuren, so sind diese selbst vergleichbar verstrickt und suchen zwischen Unsicherheit, Hyperinszenierung und Selbstentäußerung nach Authentizität. Dieses Drama würde auseinanderbrechen, gelänge es Fraiman nicht, Gegensätze, ja, Unvereinbares in spannende Kompositionen zu bringen. Nicht zuletzt besänftigt zumeist eine fein austarierte Farbpalette die hintergründige, mitunter aufwühlende Handlung. Kontrastreich sind hingegen in „B and Me“ sowohl die Farben als auch der gewagte Bildaufbau. Eine Brücke zwischen unterem und oberem Bildsegment, zwischen Schwerem und Leichtem, zwischen Kind und Puppe schafft der be-
wundernde Blick des Mädchens, und dies als Projektion, denn die Gesichtszüge von leibhaftiger Person und idealisierter Spielfigur erweisen sich als identisch. Verdopplungen oder Spiegelungen entlarven das, was in der Vorstellung als erstrebenswert herbeigesehnt wird, als Irrweg. Fraimans Bilder zeigen, was es bedeutet, Verführungen zu widerstehen, Forderungen an die weibliche Rolle in der Gesellschaft auf ihre Tauglichkeit bzw. Verlogenheit hinzuprüfen und die eigene Identität in der digital gesteuerten Welt nicht zu verlieren. Die Ausstellung ist die dritte in der Reihe „One to One“, in welcher je eine Kuratorin – in diesem Falle Gloria Aino Grzywatz – eine Künstlerin vorstellt. Anders als gewohnt ist die Schau life für den Besucher in den neuen Räumen der Galerie erst zugänglich, nachdem sie zuvor vier Wochen lang online zu sehen war. Dazu betritt er als Avatar über
einen Steg durch exotische Landschaft die Schau, ausgebreitet in den seit Rudolf Zwirner vertrauten Räumen der ehemaligen Galerie von Priska Pasquer. Dabei übernimmt der Betrachter die Regie, sich nach eigenen Wünschen umzutun und die digital vorgestellten Bilder durch Zoomen genau in Augenschein zu nehmen. Somit spielt sich in diesem Falle auch die Darbietung zwischen Realem und Virtuellem ab.

Kunstforum International – review on Show Me Your Sheroes Zohar Fraiman